Französisch in der Grundschule: Kultusministerin von vorgetragenen Argumenten beeindruckt
„Es geht nicht um das Lernen von Vokabeln sondern um das Aufsagen einer Kultur hier am Oberrhein“, brachte Bayer bereits bei der Einleitung die Argumente für den Französischunterricht ab der ersten Klasse auf den Punkt.
Anhand von Beispielen machten Schulleiterinnen der Neuenburger Rheinschule und der Michael-Friedrich-Wild-Grundschule in Müllheim deutlich, mit welcher Freude die Kinder die französische Sprache erlernten und dass gerade auch Kinder mit Migrationshintergrund davon profitierten.
Dr. Constanze Weth von der Pädagogischen Hochschule Freiburg, warb dafür, möglichst früh mit Französisch als erster Fremdsprache zu beginnen. Englisch brauche es, aber wer mit Englisch anfange habe nicht mehr die Motivation für das Erlernen einer zweiten Fremdsprache.
Auch der Geschäftsführer der Firma Rexam, Marc Felber, brach eine Lanze für den frühen Französischunterricht. Als Führungskraft komme es darauf an, die Mentalität des Geschäftspartners zu verstehen. Dies könne Englisch als „Verkehrssprache“ nicht leisten, sagte Felber.
Auch Müllheims Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich und Neuenburgs Bürgermeister Joachim Schuster, machten deutlich, dass die französische Sprache in der Region längst zum Alltag gehöre.
„Mein Großvater hat gesagt, so viele Sprachen wie du sprichst, so oft bist du Mensch“, gab Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer zu verstehen, dass die Botschaft der Veranstaltung bei ihr angekommen ist. Bei Französisch gehe es nicht nur darum eine Fremdsprache zu erlernen, sondern darum Menschen in die Lage zu versetzen besser miteinander auszukommen. „Ich habe heute gelernt, dass es im Bereich der Rheinschiene eine andere Dimension gibt mit der europäischen Metropolregion und den wirtschaftlichen Verflechtungen“, sagte die Kultusministerin. Auch habe sie gelernt, dass es schon im Kindergarten Französisch als Bildungsangebot gebe.
Bei ihrem Amtsantritt habe sie das Gutachten von Professor Jürgen Baumert vorgefunden. Dieser habe pragmatisch ins Gutachten geschrieben, die Fremdsprache erst ab der dritten Klasse einzuführen und dafür die freiwerdende Zeit für Deutsch und Mathematik zu nutzen, rief sie den Anlass der Diskussion ins Gedächtnis.
„Alles was funktioniert und sichtbar dazu beiträgt, dass junge Menschen etwas lernen und sich entwickeln werden wir beibehalten und unterstützen“, versprach sie und betonte, die Grundschulen besser ausstatten zu wollen, da nach wie vor viele Kinder mit Förderbedarf in die Schule kämen.
Die Grundschulfremdsprache sei methodisch und didaktisch nicht mit dem althergebrachten Fremdsprachenunterricht zu vergleichen, unterstrich der Leiter des staatlichen Schulamtes Manfred Voßler. Die Grundschulfremdsprache hänge vom Charisma der Lehrkräfte ab, sagte er und räumte anfängliche Probleme ein. „Der Start von Französisch in der Rheinschiene mit einer Schnellbleiche von Lehrern war ein Fehler“, sagte er und ergänzte, dass es heute eine hohe Zahl an Europalehrern gebe und eine flächendeckende Versorgung mit Französischlehrern erreicht sei. Zudem gebe es für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald das Servicezentrum Französisch in Neuenburg, dass ebenso seinesgleichen suche, wie die Kooperation mit der Universität Straßburg. „Wir dürfen das nicht einfach aufgeben“, betonte er. Die Bevölkerung entlang der Rheinschiene wünsche den Französischunterricht in der Grundschule. Handwerk, Dienstleister und Gewerbetreibende brauchten das, und wenn es nur Grundkenntnisse seien.
„Wenn man von Grundschulenglisch oder -französisch spricht, ist der Unterschied nicht so groß“, sagte die Linguistin Dr. Constanze Weth von der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen gestalteten sich meist regional, stellte sie fest und betonte, dass es „zur Kommunikation in einer Grenzregion ganz anderer Sprachen als Englisch braucht“. Sie verwies auf die angestrebte europäische Mehrsprachigkeit, deren Ziel die Beherrschung von mindestens zwei modernen Fremdsprachen sei. Der „Global Player“ Englisch als erste Fremdsprache könne sich ungünstig auf die Motivation für das Lernen von weiteren Fremdsprachen auswirken, plädierte Weth für den Beginn mit Französisch entlang der Rheinschiene.
„Wir wollen uns – als Michael-Friedrich-Wild-Grundschule und Rheinschule gemeinsam für die Region stark machen“, betonte die Rektorin der Rheinschule, Michaela Münch. Beide Schulen seien Pilotschulen gewesen, als es darum ging Französisch ab der ersten Klasse zu erproben. Es gehe nicht um Vokabellernen sondern um ein deutsch-französiches Zusammenleben in der trinationalen Metropolregion am Oberrhein, ergänzte die Müllheimer Rektorin Barbara Dobuszweski. Nicht nur Gymnasiasten brauchen Französisch, auch die Kassiererin an der Supermarktkasse.
Michaela Münch erinnerte daran, dass in allen acht Kindertagesstätten in Neuenburg bereits die Kindergartenkinder französisch lernten und mit einem enormen Wortschatz in die Grundschule kämen. Eine Abschaffung des Französischunterrichts ab der ersten Klasse würde einen Bruch bedeuten, so dass man in der dritten Klasse von vorne beginnen müsste. Französisch wird im Handel und Gewerbe gebraucht, unterstrich Münch und verwies darauf, dass in der Zähringerstadt 40 Prozent der Kunden aus dem Nachbarland kommen.
Die Konrektorin Johanna Seib berichtete aus der Praxis an der Rheinschule, wo die Einbettung der französischen Sprache eine große Rolle spiele. Durch den großen Wortschatz sei es möglich, auch bilingual in den Sachfächern Musik, Kunst, Sport, Religion sowie im Heimat- und Sachkundeunterricht zu unterrichten.
Barbara Dobuszewski verwies auf das erfolgreiche Müllheimer Konzept und die Zusammenarbeit mit der französischen Grundschule. Mit Blick auf die 17 an der Schule vertretenen Nationen machte sie deutlich, dass auch Kinder von Migranten vom Fremdsprachenunterricht profitierten, da sie hier auf dem gleichen Niveau beginnen wie die deutschen Kinder.
„Als Führungskraft muss ich die Mentalität verstehen, das kann ich mit der Verkehrssprache Englisch nicht“, brach der Geschäftsführer der Firma Rexam Pharma in Neuenburg, Marc Felber, eine Lanze für den frühen Französischunterricht. Sein Unternehmen agiere international und habe Kunden und Lieferanten in ganz Europa, am Standort Neuenburg komme ein Viertel der Mitarbeiter aus Frankreich, berichtete er. „Wer eine Sprache spät lernt, lernt die Sprache. Wer sie früh lernt, versteht die Kultur“, sagte Felber.
Französisch ist hier in der Region Alltag und sei tagtäglich in den Geschäften zu hören, stellte Müllheims Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich fest. Natürlich sei Englisch die globale Sprache, aber hier in der trinationalen Metropolregion sei Französisch keine Fremdsprache, sondern gehöre zum Alltag, sagte sie. Für den Arbeitsmarkt am Oberrhein werd das Thema Französisch immer wichtiger, betonte die Rathauschefin mit Blick auf den Arbeitskräftemangel. Während Firmen in Baden-Württemberg keine Auszubildenden fänden, gäbe es in Frankreich viele arbeitslose Menschen. Das beherrschen der Sprache des Nachbarn werde daher einen großen Anteil an einer positiven Wirtschaftsentwicklung haben und eine Stagnation zu verhindern helfen. „Kluge Politik hört auf das, was der Bürger braucht. Wir brauchen hier den Austausch mit unseren Nachbarn“, betonte Siemes-Knoblich.
In Neuenburg habe man das Thema bereits Anfang der 90er Jahre aufgegriffen, berichtete Bürgermeister Joachim Schuster. Er habe in den Schweizer Zähringerstädten Konzepte kennengelernt wie Kinder ab drei Jahren Fremdsprachen lernten. Mittlerweile lernten in Neuenburg 400 Kindergartenkinder acht bis zehn Stunden pro Woche von Muttersprachlerinnen Französisch. Schuster hob aber auch die politische Tragweite der Diskussion hervor. „Wir kämpfen seit vielen Jahren für die Metropolregion und den Eurodistrikt. Immer wieder kommt dabei das Thema Sprachbarriere hoch. Wenn wir jetzt nachlassen, sehen das auch die Elsässer“, sagte Schuster.